Konkubinat sorgt für Vorsorgelücken: Macht Liebe finanziell blind?

01. Februar 2022

Liebe macht bekanntlich blind. Wenn Menschen mittleren Alters einen neuen Partner finden, verzichten sie oft auf den Trauschein und lassen die finanziellen Nachteile unbeachtet.


Wer die Scheidung oder den Tod des Lebenspartners erlebt hat, belässt es in einer späteren Partnerschaft oft mit dem Status des Konkubinats. Doch nicht selten bringen die Parteien in diesem Lebensabschnitt Liegenschaften und Kinder in eine komplexe Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft mit. Da das Konkubinat nicht den juristischen Schutz der Ehe geniesst, tut man gut daran, Lücken in der Altersvorsorge auszuloten und die Anspruchsverhältnisse bei Trennung oder Tod zu klären.


Wirkliche Vorteile?

Die Bevölkerung wächst, die Zahl der Eheschliessungen hingegen stagniert auf dem Niveau der 1990er Jahre. Leben im Konkubinat ist nicht nur bei jungen Erwachsenen beliebt. Schliesslich heisst es ja landläufig, dass «Konkubinätler» gegenüber Eheleuten finanziell profitieren. Auf die Steuern bezogen stimmt dies in den meisten Fällen. Und in der AHV sind Konkubinatspartner durch ihre Einzelrente von maximal CHF 4'780 bevorzugt, während Eheleute sich mit höchstens CHF 3’585 zufriedengeben müssen. Unser Drei-Säulen-System regelt von Gesetzes wegen bei verheirateten Paaren vieles automatisch. Konkubinatspartner hingegen müssen sich selbst um die gegenseitige Absicherung kümmern.


Gemeinsames Zuhause

Beim Kauf einer Immobilie im Gesamteigentum können Unverheiratete weder Pensionskassengelder noch Kapital aus der Säule 3a verwenden. Darum wird für Konkubinatspaare Miteigentum im Verhältnis ihrer finanziellen Beteiligung empfohlen. Stellt ein Partner allein die Eigenmittel zur Verfügung, kann er die Liegenschaft im Alleineigentum erwerben.

Die Absicherung von Grundeigentum ist denn auch die in der Beratung durch die Fachexperten von Raiffeisen am meisten angesprochene Thematik. «Häufig stellen unsere Kunden die Frage nach den rechtlichen Folgen bei einer Trennung und Auflösung des Konkubinats», sagt Robert Guthauser, Vermögensberater Experte des Fachzentrums Erbschaftsberatung bei Raiffeisen Schweiz. Der Immobilienbesitz und die rechtliche Ausgestaltung können insbesondere bei Patchwork-Familiensituationen komplex werden. Die Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse in einem Konkubinatsvertrag festzuschreiben, ist ratsam. Die eingebrachten Eigenmittel, Amortisation, Bezahlung der Unterhaltskosten, Sorge der gemeinsamen Kinder sowie die Folgen der Auflösung der Partnerschaft sind weitere wichtige Punkte. Die formgültigen Dokumente werden individuell abgestimmt auf die konkreten Familien- und Vermögensverhältnisse der Kunden, so Robert Guthauser weiter.


Im Todesfall benachteiligt

Ohne Trauschein erhält der Hinterbliebene weder von AHV noch von Unfallversicherung eine Witwer-Rente. Säule 3a Guthaben werden nicht automatisch an den Lebenspartner ausbezahlt, da bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen sind.

Gesetzlich können Hinterlassenenleistungen durch die Pensionskassen vorgesehen werden, massgebend ist das jeweilige Reglement der Pensionskasse. Die Absicherung des Partners ist nur möglich, falls die Pensionskasse eine solche Begünstigung vorsieht. Je nach Reglement können die Pensionskassen eine Rentenleistung oder eine Kapitalabfindung ausrichten, wofür oft eine vorgängige Anmeldung des Lebenspartners sowie praktisch immer eine mindestens fünfjährige Lebenspartnerschaft im gemeinsamen Haushalt oder gemeinsame Kinder nachzuweisen sind. «Eine Pensionskasse würde keinen Anteil auszahlen, wenn die Betroffenen trotz langjähriger Beziehung noch ihre beiden Domizile aufrecht gehalten haben, faktisch also zwei getrennte Haushalte führten», gibt Michael Odermatt, Finanzplaner des Fachzentrums Finanzplanung, zu bedenken.

Bei der Verteilung der Erbmasse gilt es allfällige Pflichtteile zu berücksichtigen, wobei Lebenspartner nicht pflichtteilsgeschützt sind. Vor allem bei gemeinsamen Immobilien sind erbrechtliche Regelungen somit zwingend notwendig. Kommt hinzu, dass man im Konkubinat je nach Kanton Erbschaftssteuer bezahlt.


Vorsorgelücken abdecken

«Es gilt die vermeintlichen Vorteile bei AHV und Steuer sowie die möglichen Vorsorgelücken individuell abzuklären», sagt Michael Odermatt. Wie können Einbussen durch die Altersvorsorge abgefedert werden? «Eine Lebensversicherung kann ein hilfreiches Instrument sein, um den Konkubinatspartner im Todesfall abzusichern.» Doch weil jeder Fall individuell ist, empfiehlt Michael Odermatt eine Vorsorgeanalyse oder Finanzplanung. Sie bieten eine solide Entscheidungsgrundlage zur persönlichen finanziellen Situation, dabei wird auch die Tragbarkeit von Liegenschaften überprüft. Jährlich führen die Raiffeisen-Experten in ähnlich gelagerten Fällen tausende Beratungen durch.

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*Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wurde in diesem Bericht die männlichen Sprachformen verwendet. Natürlich gelten die Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörter für alle Geschlechter.

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